Fahrbericht und Vergleichstest
Beide habe denselben Ursprung, sind in ihrem Wesen aber grundverschieden – der BMW M240i und der AC Schnitzer ACL2S. Showdown der Kontroverse.
Text: Joshua Hildebrand | Bilder: MAV Verlagsgesellschaft mbH / Jan Bürgermeister
Hier prallen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite der fast schon wohlerzogene Lausbub mit sportlicher Raffinesse, verbildlicht als BMW M240i. Auf der anderen Seite der extrovertierte
Krawallbruder mit Hang zum Übertreiben in Form des streng limitierten AC Schnitzer ACL2S, der ja wiederum auf dem Baby-M aufbaut. In ihren Grundfesten also ein und derselbe Schlag, aber mit
völlig anderem Anspruch. Während der Nachfolger des M235i mit unter anderem geänderter Luftführung, zwei Mittelschaldämpfer und anderer Motorengeneration mit nicht zu verachtenden 340 PS und 500
Nm an den Start rollt, hat die Erziehungsmaßnahme des Aachener Tuners den Reihen-Sechszylinder mit Twin-Scroll-Turbolader dank Softwareoptimierung auf 400 PS und 600 Nm gedrillt. Damit ist er
sogar leistungsfähiger als ein Basis-M2, er präsentiert sich eigenständig und ist dank des 30-jährigen Bestehens der Aachener Individualisierungsschmiede auf eben diese Zahl limitiert und damit
extrem selten.
Gute Basis
Anders als die „echten“ Erzeugnisse der M GmbH präsentiert sich das Performance Modell der 2er-Reihe ziemlich dezent. Keine ausladenden Kotflügel, keine M-Insignie im Kühlergrill, moderate Verspoilerung vorn und hinten. Kenner, aber eben nur diese, erfassen den starken 2er im Rückspiegel anhand der silbernen Querstreben in der Frontschürze und den silbergrauen Außenspiegeln. Hinten thronen eine kleine, in Wagenfarbe lackierte Spoilerlippe auf dem Kofferraumdeckel und die Doppelrohr-Abgasanlage in der grau unterlegten Heckschürze. Immerhin lassen dezente Tuning-Maßnahmen wie der M-Performance-Heckspoiler aus Vollcarbon, die schwarz glänzende Niere oder die schwarz glänzenden OZ-Leggera-Felgen in 19 Zoll unser Privatfahrzeug etwas sportlicher auftreten. Der Motor ist erstklassige Ingenieurskunst aus Bayern, dreht sahnig und agiert ausgesprochen geschmeidig. Dank dem mit zwei Abgaskanälen angetriebenen Twin-Scroll-Turbolader stehen dem druckbeatmeten Reihensechser die 500 Nm Maximal-Drehmoment bereits bei 1.520 U/Min an und lassen erst über viereinhalb nach. Dieses Erlebnis kostet bei BMW ab 49.100 Euro für die heckgetriebene Version – Allrad kostet 2.000 Euro extra.
Der Peis ist heiß
Der ACL2S xDrive schießt sich mit einem Startpreis von 87.000 Euro in ganz andere Sphären. Der Paketpreis des homologierten Basisumbaus beläuft sich auf knapp 36.000 Euro – ohne die
Zusatzoptionen (noch mal 22.767 Euro), die unser „One of Thirty“ verbaut hatte. 100 Riesen zu knacken erweist sich also als kein Kunststück – das ist heftig! Dafür sorgt das Aerodynamikpaket samt
zehnteiligem Breitbaukit für einen völlig kontrastierenden Auftritt. Das liegt zum einen an der matten, militärgrünen Lackierung (ja, keine Folie!), zum anderen an der 80 Millimeter breiteren
Karosserie. Dazu kommen Anbauteile en masse wie etwa Carbon-Frontspoilerelemente und Frontsplitter, Seitenschweller sowie dem unverkennbarem Carbon-Heckspoiler mit sogennanter Gurney Flap. Auf
den ersten Blick ein richtig böser Junge. Fast schon schüchtern wirkt der M240i daneben.
Noch schnell ein Käffchen trinken, um Herr aller Sinne zu sein. Dann nehmen wir Platz in den farblich angepassten Recaro Sportster CS des Schnitzers. Der Seitenhalt ist perfekt, auf Sitzheizung
und Airbags muss ebenfalls nicht verzichtet werden. Dagegen bieten die Seriensitze weitaus weniger Führungskräfte, fühlen sich im Vergleich fast an wie ein straff gepolstertes Sofa. Die Sitze
passen zum M240i, schaffen den Spagat zwischen Sportlichkeit und Langstreckentauglichkeit, wohingegen die Recaros ein bisschen mehr Sitzfleisch voraussetzen. Mit Blick auf das Kombiinstrument bis
300 km/h, welches 1.300 Euro extra kostet, sind wir über die Wahl der Schalensitze aber ausgesprochen froh. Schnitzer hat in Sachen Interieur ganze Arbeit geleistet: lackierte Interieurleisten,
Edelstahlplakette auf dem Mitteltunnel, Aluminiumaccessoires wie der Handbremsgriff samt Schnitzer-Logo oder das neu belederte M-Lenkrad mit farbigen Nähten und 12-Uhr-Markierung. Viel mehr geht
nicht – das gefällt.
Herbstmüdigkeit? Kein Problem.
Wir drücken den Startknopf und erwecken den Reihensechser zum Leben. Die Klappen sind geöffnet und erzeugen einen Donnerhall, der einen fast eine Lobeshymne singen lassen könnte. Im Vergleich zum
M240i, der wesentlich leiser daherkommt, resultiert das bebende Orchester aus einem Edelstahl-Schalldämpfer-System mit Abgasklappe, Verbindungs- und Soundrohr. Das neue Viadukt endet dann
sichtbar mit der Auspuffblende „Sport“, in Duplex-Anordnung. Wobei wir bei genauerer Betrachtung schon fast böse werden könnten. Zwei der vier Endrohrblenden sind nämlich Attrappen und von hinten
mit einer Kappe verschlossen. Was das soll? Fraglich. Man kann nur hoffen, dass es keiner der Kumpels bemerkt – sonst gibt’s ätzendes Gelächter. Es geht ab auf die Landstraße. Natürlich,
denn hier sind wir fast eins mit der Natur. Zumindest farblich. Mit der gesteigerten Leistung hat die identische Wandlerautomatik des M240i keinerlei Probleme. Der Gangwechsel erfolgt rasant, das
Schaltruckeln im Sportmodus ist programmierte Sache – sowohl im Serienpendant als auch im Tuning-Objekt. Grenzwertig, aber geil: Bei Schaltvorgängen unter Volllast knallt’s, als wäre ein
handfestes Gewitter im Anmarsch. Der M240i gibt sich ziviler, klingt aber dank seiner sechs „Töpfe“ auch im Normal-Set-up niemals lächerlich. Wir mögen beide Sounds, welche zum Auftritt jedes
einzelnen. Die 60 Mehr-PS und 100 zusätzlichen Newtonmeter Drehmoment des Jubiläumsmodells hört man nicht nur, sondern spürt man auch deutlich. Gemessen haben wir 4,3 Sekunden von 0 auf
100 km/h. Das sind 0,3 Sekunden weniger als die Serie mit 4,6. Zudem ist beim Schnitzer erst bei 280 km/h Topspeed Schluss, die Serie darf lediglich 250 km/h Spitze laufen. Nicht vergessen
darf man aber, dass der ACL2S mit dem Allradantrieb xDrive unterwegs war, während „HD-JJ-1313“ mit reinem Heckantrieb um die Kuren zirkelt – grundsätzlich eine Glaubensfrage. Der Schnitzer macht
auf jeden Fall keinen Hehl daraus, dass er schneller, sportlicher und härter ist. Zusammengefasst: einfach kompromissloser. Denn auch in Sachen Fahrwerk gibt es einen erheblichen Unterschied. So
hat unser Serienmodell das Adaptivfahrwerk samt 25-Millimeter-Tieferlegungsfedern von ST suspensions verbaut. Das lässt ihn satter auf der Gasse liegen, ein Mü straffer federn, während die
Adaptivfähigkeiten erhalten bleiben. Im AC Schnitzer arbeitet hingegen das sogenannte RS-Gewindefahrwerk, welches stufenlos höhenverstellbar und auch in Zug- und Druckstufe verändert werden kann.
Das Abrollen in Kombination mit den hauseigenen 19-Zoll-Leichtbau-Schmiedefelgen vom Typ „VIII“ war spürbar holpriger, Spurrillen nahmen wir verstärkt wahr. Jedoch war das Federn nie zu hart,
subjektiv betrachtet, bekamen wir das Gefühl über mehr Direktheit und Kontakt zur Fahrbahn. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h lag der Wagen wie das sprichwörtliche Brett.
Der erneute Umstieg auf den Serienwagen hatte schon fast etwas von Erholung.
Mängel am Testwagen
Wir könnten ewig vor uns hin säuseln. Alles wäre so schön. Und wir wären total beruhigt über das Ergebnis. Ende! Oh nein. Noch nicht. Denn eines müssen wir doch noch loswerden: die Qualität des
Schnitzer ließ angesichts des hohen Preises ein bisschen zu wünschen übrig und erstaunte uns mit diversen Mängeln. So fiel uns zum Beispiel beim Fotoshooting das Schnitzer-Emblem des Lenkrads
entgegen. Es war nur über das bereits vorhandene M-Symbol geklebt worden. Am schockierendsten war jedoch die Tatsache, dass uns eine Endrohrblende auf der Autobahn fast um die Ohren geflogen
wäre, wenn wir das nicht frühzeitig bei einem Tankstopp bemerkt hätten. Schlicht und ergreifend waren die zwei Schweißpunkte gebrochen. Sicherheitsschraube? Fehlanzeige. Auf Rückfragen
entschuldigte sich Rainer Vogel, Geschäftsführer von AC Schnitzer, persönlich bei uns und versprach, der Sache auf den Grund zu gehen. Blenden wir diesen Fakt mal aus und reduzieren beide
Fahrzeuge auf das Wesentliche, so lässt sich sagen: Der M240i ist der Gemütlichere von beiden, sofern man das bei 340 PS sagen kann. Auf der Rennstrecke wäre er nicht zu Hause, sondern eher Gast.
Zu komfortabel, zu kompromissbereit ist er unterm Strich. Trotzdem begeistert er als toller Wagen mit herausragendem Antrieb. Wer mehr Geld hat und es sportlicher mag, greift zum M2. Ähnlich
versiert, aber noch stärker und vor allem seltener ist der AC Schnitzer ACL2S. Ihn prügelt man nicht über den Ring, auch wenn er das Zeug dazu hätte. Er legt im Vergleich zum M240i in jeder
Hinsicht noch eine Schippe drauf, ist wertvoll, selten aber saumäßig teuer. Am besten stellt man ihn in die Garage und erfreut sich daran, einer von 30 Glücklichen zu sein. Das ist dann auch am
beruhigendsten.